Kapitel 2: Von der Dunkelheit übers Morgengrauen zum Tageslicht – Überblick

Kapitel 2: Von der Dunkelheit übers Morgengrauen zum Tageslicht – Überblick

Zu Beginn meines „Reiseberichts“ möchte ich euch einen ganz kurzen Einblick in mein persönliches Morgengrauen geben, bevor ich in den nächsten Beiträgen konkreter darauf eingehe. Nach vielen und teilweise sehr anstrengenden Gesprächen kann ich sagen, dass ich mit meinen Erfahrungen und Gefühlszuständen nicht alleine bin, genauso wenig wie ihr.

Als ich meinen Ex-Mann, Robert, kennenlernte, war ich fasziniert von ihm. Er schien als Akademiker mit beiden Beinen im Leben zu stehen, in jeder Hinsicht ein gerechter und treuer Mensch zu sein und mit seiner Weltanschauung eine von Tugenden und hohen Werten getragene Lebensweise zu leben. Er gab mir das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein, und das ehrte mich.
Doch nach den ersten Monaten der Beziehung kam es zu den ersten Anzeichen, die ich heute als gefährlich betrachte:

  • unter dem Vorwand größter Liebe und Zuneigung wurden mir mit der Zeit bestimmte Dinge von Robert verboten,
  • meine Freunde und sehr gute Arbeitskollegen wurden von ihm immer mehr infrage gestellt
  • er gab mir zu verstehen, dass ich nur durch ihn jemand wäre und ohne ihn nicht sein könne.

Am Anfang waren es nur mikroskopisch kleine Hinweise, die ich erst verstanden hatte, als die Trennung bereits passiert war, manche Dinge erst sehr viel später.
Robert begann immer mehr und sogar schon an Vormittagen Alkohol zu trinken, an manchen Tagen war er gar nicht nüchtern anzutreffen.
Mit den Jahren, der Hochzeit, der Geburt unseres gemeinsamen Sohnes, wurde es immer schlimmer. Ich wurde bei jeder Kleinigkeit gedemütigt, beschimpft und jeder meiner Lebensbereiche wurde mir entrissen.

Das Schlimme daran ist, dass ich das alles zugelassen habe, weil ich dachte, er sei im Recht!

Obwohl ich meinte, mit beiden Beinen im Leben zu stehen, viel erlebt zu haben und eine gute Menschenkenntnis zu besitzen, habe ich es trotzdem nicht geschafft, hinter seine Maske zu blicken.
Die letzten Monate meiner Ehe waren geprägt von eskalierenden Konflikten, Handgreiflichkeiten, Spott und Demütigungen.
Gegipfelt ist alles in einer Selbstmordandrohung meines Ex-Mannes. Er schrie mich mit vorgehaltener Waffe an, dass ich nun sehen würde, was ich aus ihm gemacht hätte. Erst viel zu spät war mir klar, dass dieser Mensch nie den Abzug gedrückt hätte. Ein Mensch wie er, beendet sein Leben nicht einfach. Jemand wie er, will den anderen nur unterwerfen und diesen für sein Elend verantwortlich machen.
Nach dieser Eskalation ist mein Ex-Mann zusammengebrochen, hat versprochen, sich Hilfe zu suchen und auch sein Alkoholproblem in den Griff zu bekommen. Zunächst habe ich wirklich noch daran geglaubt und wollte ihn dabei unterstützen. Doch in den darauffolgenden Monaten habe ich gemerkt, dass sich nichts ändern würde. Ich hatte keine Kraft mehr. Ich war wie eine leere Hülle.

Als ich die Trennung schlussendlich ausgesprochen hatte, wirkte Robert ungewöhnlich gefasst. Doch mit der Zeit stellte sich heraus, dass mein Ex-Mann meine Trennung nur für eine Phase hielt, die bald vorbeigehen und ich bald wieder zu ihm zurückkommen würde. Als ich das nicht tat, sondern ihn damit konfrontierte, dass ich die Scheidung sowie seinen Auszug aus der Wohnung, die mir gehörte, wollte, wendete sich das Blatt und er ließ mich seinen Zorn und seine Kränkung spüren. Er wusste genau, dass mir unser damals dreijähriger Sohn das Wichtigste war und daher versucht er ihn mit aller Gewalt zu instrumentalisieren und für seine Zwecke zu missbrauchen. Er versuchte, mir eine endgültige Trennung so schwierig wie möglich zu machen und zog dabei alle Register. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Hätte ich meinen heutigen Ehemann, Michael, nicht kennengelernt, hätte ich diese Zeit wohl nicht überstanden.
Das Fehlen von Freunden und einer Familie führt zu einem Maximum an Hilflosigkeit – das ist genau der Grund, warum manche Partner, sowie mein Ex-Mann, jegliche Netzwerke abkappen, so dass nur mehr seine eigenen genutzt werden können, die er selbst kontrollieren kann.
Die Zeit rund um meine Scheidung, inklusive der Konflikte bei und mit der Familiengerichtshilfe sowie dem Familiengericht, wo die Vereinbarung eines Kontaktrechts zwischen Vater und Sohn getroffen wurde, sowie jene Zeit unmittelbar nach der Scheidung, waren mein absolutes Morgengrauen. Einerseits war ich glücklich, endlich getrennt und bald geschieden zu sein, hatte einen wunderbaren Partner gefunden, der auch meinen Sohn aufnahm wie seinen eigenen, andererseits kamen die Verletzungen von damals immer mehr hoch. Ich ärgerte ich mich über mein Unvermögen, bestimmte Anzeichen nicht schon vorher gesehen zu haben, stellte mich als Mensch und Mutter immer mehr infrage. Ich war frustriert über die Tatsache, keinen einzigen Freund mehr zu haben und meine Ursprungsfamilie verraten zu haben. Ich hatte keine Interessen mehr. Ich blieb eine leere Hülle. Ich

  • zweifelte immer mehr an mir selbst,
  • litt an Alpträumen und Schlafstörungen,
  • hatte ständige Rückenschmerzen,
  • vernahm manchmal Stimmen und merkwürdige Geräusche,
  • war von mir und meinem Tun überhaupt nicht mehr überzeugt und
  • dachte nicht mehr normal, sondern psychisch gestört zu sein.

In meiner neuen Beziehung löste ich mich immer mehr auf. Manchmal hatte ich das Gefühl, gar nicht mehr im Hier und Jetzt zu sein. Ich fühlte mich ständig abgelenkt, war unkonzentriert, sehr leicht reizbar und an vielen Tag war mir einfach nur nach Heulen zumute.
Dies ging solange, bis es dann hier zur endgültigen Eskalation kam, die ich bereits in meinem ersten Beitrag geschildert habe und die mich dazu bewogen hatte, mir endlich Hilfe zu suchen. Auch dieser Reisebericht war eine wunderbare Therapie für mich und auf diese Reise nehme ich euch nun mit.

Weitere Kapitel

Einleitung: Der Morgen graut

Das Morgengrauen beschreibt den Übergang zwischen Nacht und Tag. Es beschreibt ganz besondere Lichtverhältnisse, die aufgrund der erst im Aufgang