Kapitel 7: Ich bin nicht alleine – Der Weg mit dem Kind

Kapitel 7: Ich bin nicht alleine – Der Weg mit dem Kind

Eigentlich hatte ich nie einen großen Kinderwunsch verspürt. Ich arbeitete zu gerne und zudem war ich mir immer unsicher, ob ich überhaupt eine gute Mutter sein könnte.

Robert betonte stets, dass er sich „nur“ mit mir ein Kind vorstellen könne und auch unbedingt eines wollte. Ich denke, dass ich schon sehr früh tief in mir das Gefühl verspürt hatte, dass ein Kind mit Robert keine gute Idee wäre. Bewusst war mir dies allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht.

Nach der Hochzeit hatte sich in unserer Beziehung nichts Wesentliches geändert. Außer, dass ich etwas lockerer mit Roberts Verhaltensweisen umzugehen schien. Heute weiß ich, dass dies ein weiterer Schritt in Richtung Resignation war. Robert war zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Arbeit noch mehr frustriert als davor. Versuche, sich woanders zu bewerben, scheiterten. Seine Arbeitskollegen entwickelten sich weiter und Robert schimpfte über sie alle. Seine Arbeitskollegen hatten Erfolge, er machte sich über sie lustig. Ich versuchte, ihn aufzumuntern, und manchmal, wenn er ein wenig getrunken hatte, hatte es den Anschein, als würde es mir gelingen. Aber dann trank er weiter und am Tag darauf war es immer wie an den Tagen davor. Schwarz und düster

Das Thema „Kind“ ließ mich gerade in dieser Zeit nicht mehr los. Ich schwankte ständig hin und her und war frustriert darüber, dass ich mir einerseits über das „Ja“ oder „Nein“ nicht klar wurde und mir andererseits nicht mehr allzu viel Zeit für eine Entscheidung bleiben würde. Insgeheim wusste ich aber, dass ein „Nein“ zur Trennung/Scheidung führen würde. Dieser Gedanke erhöhte meinen Druck ungemein, denn meine Unsicherheit hinsichtlich eines Kindes mit Robert war dennoch da, aber ich wollte keine Trennung und zudem tat mir Robert auch leid. Ich hoffte ständig darauf, dass sich alles bessern und Roberts emotionale Ausraster weniger werden würden. Ich dachte, dass ich ihm einfach mehr Zeit geben müsste und mich und meine Bedürfnisse nicht so wichtig nehmen dürfte.

Doch es änderte sich nichts. So sehr ich auch versuchte, alles für Robert zu tun, es half nichts. Er war sooft so unglaublich wütend auf mich und bestrafte mich mit Schweigen und bösen Blicken. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich tun sollte. Und nicht einmal fünf Monate nach unserer Hochzeit und dem Einzug in unsere neue Wohnung, stellte ich fest, dass ich schwanger war. Ich machte zuhause einen Test, noch bevor Robert aus der Arbeit kam, und ich brach in Tränen aus. Ich bekam plötzlich Angst und geriet in Panik. Was soll ich denn jetzt machen, dachte ich. All meine Unsicherheiten prasselten auf einmal auf mich nieder und ich wusste keinen Ausweg mehr. Ich versuchte mich zu beruhigen, denn es half alles nichts. Ich wusste, dass ich mein Kind bekommen musste, wollte ich Robert nicht verlieren. Und ein Teil in mir, tief in meinem Herzen, wollte dieses Kind auch unbedingt.

Die Zeit meiner Schwangerschaft war eine der ruhigsten mit Robert, die ich je erlebt hatte.

Ich war sehr glücklich und davon überzeugt, dass unser Kind auch Roberts Herz erhellt hatte. Es gab fast keine Beschimpfungen oder Beleidigungen mehr. Die Schwangerschaft schien alles Schlechte aufzulösen… doch es war nur die berühmte Ruhe vor dem Sturm.

Ich informierte meinen Chef, dass ich nach meiner Karenzzeit nicht mehr in die Firma zurückkehren würde. Und nach der Geburt meines Sohnes versuche ich neben dem Muttersein, so gut wie möglich, meine Selbstständigkeit aufzubauen und Kunden zu lukrieren. Anfänglich funktionierte beides sehr gut und ich fühlte mich glücklich.

Doch nach der Geburt setzte der Sturm ein…

Robert war ab dem Zeitpunkt der Geburt dem Alkohol noch mehr zugetan als bereits davor. Jede noch so kleine und leise vorgetragene Bitte, den Konsum doch zumindest ein bisschen zu reduzieren, endete wieder in einem strengen Monolog darüber, was ich mir überhaupt einbilden würde, ihn zu maßregeln.

Ebenso war die kurz aufgeflackerte Freude von Robert über seinen Sohn bald wieder verflogen. Er beschäftigte sich so gut wie gar nicht mit ihm. Und wenn er ihn mal auf den Schoß nahm oder ihm etwas zu Essen gab, so musste ich ihn dabei ständig fotografieren. Spielen tat er nie mit ihm, warf ihm höchstens mal einen Ball hin und versteckte sich wieder hinter seinen Zeitschriften.

Die schönste Zeit war jene geworden, in der Robert in der Arbeit war. So konnte ich mich in Ruhe um alles kümmern und hatte nicht ständig das Gefühl, kontrolliert und beobachtet zu werden.

Und obwohl ich mich weiterhin so sehr bemühte, für Robert eine gute Ehefrau zu sein, es reichte einfach nicht. Robert fand fast täglich etwas, das er mir vorhalten konnte. Dies betraf alles rund um meine Haushaltsführung und die Kindeserziehung. Wenn wir uns mal über seinen Job oder seine Interessen unterhielten, warf er mir sehr schnell vor, dass ich ihn entweder nicht verstehen würde und von seinen Dingen keine Ahnung hätte oder dass ich dumm und ungebildet sei. Meistens zog ich mich dann stillschweigend zurück. Es gab fast keinen Tag mehr, an dem ich nicht traurig war oder sogar weinte. Dies aber nicht, weil mich Roberts Verhalten so enttäuschte, sondern weil ich aufgrund meiner Unzulänglichkeit, Unaufmerksamkeit und Ungenauigkeit so frustriert über mich selbst war.

Vor allem Roberts Vorwürfe, dass ich keine gute Mutter sei und ständig Fehler machen würde, mehrten sich und waren sehr oft mit Aussagen gepaart, wie toll seine Mutter ihn erzogen hätte und ich mir doch auch hier Tipps von ihr holen solle. Mir lagen sooft Dinge auf der Zunge, die ich mich aber nicht auszusprechen traute.

Robert ließ unseren Sohn links liegen und nur, wenn mal seine Mutter oder Bekannte zu Besuch kamen, mimte er den fürsorglichen Papa. Alleine strafte Robert unseren Sohn für jegliches Verhalten, dass ihn störte, sofort ab. Er wurde laut, packte ihn oft und stellte ihn unsanft in seinen Laufstall. Einmal packte er ihn voller Wut, stapfte durch die Wohnung, stellt den Kleinen in sein Zimmer, zog die Jalousien zu, sodass es komplett dunkel war und versperrte die Türe. Mein Sohn schrie und weinte. Ich holte ihn sofort raus, was mir natürlich Beschimpfungen einbrachten, dass ich so schwach und inkonsequent sei und es nicht verstehen würde, wie man Kinder erzieht. Ich fühlte mich von Roberts Verhalten unserem Sohn gegenüber so verletzt, sodass ich mit der Zeit merkte ich, wie ein regelrechter Hass in mir hochstieg.

Als unser Sohn in den Kindergarten gehen sollte, wollte Robert unbedingt die Phase der Eingewöhnung übernehmen. Zunächst war ich darüber verwundert und angenehm überrascht, hatte er sich ja davor nie in irgendeiner Form positiv oder konstruktiv eingebracht. Er meinte, er MÜSSE es deswegen tun, weil ich viel zu labil dafür wäre und das anfängliche Geschrei unseres Sohnes nicht aushalten würde. Er aber würde keine Probleme damit haben und sei daher dafür besser geeignet, auch wenn er genug im Büro zu tun hätte. In meinem Bauch krampfte sich alles zusammen, aber ich ließ Robert gewähren. Er war so stolz auf sich, dass er es nach kürzester Zeit geschafft hatte, sein Kind alleine ohne Probleme im Kindergarten zu lassen. Er erzählte mir dann immer, wie gut er sich mit dieser oder jener Mutter unterhalten hätte und meinte, dass wir diese alle einmal einladen sollten. Das würde mir sicher helfen, auch etwas besser in meinem Muttersein zu werden und nicht mehr so labil zu sein, denn diese „Mamas“ wären alle toughe Frauen.

Seit dieser Eingewöhnungsphase bis zu unserer Trennung war Robert kein einziges Mal mehr im Kindergarten gewesen und hatte unseren Sohn weder hingebracht noch abgeholt.

Ab und zu ging ich mit unserem Sohn nach dem Kindergarten noch auf den nahegelegenen Spielplatz. Ich sah dort viele Väter mit ihren Kindern spielen, herumsausen und lachen. Es war so schön und gleichzeitig so schmerzhaft für mich zu beobachten, wie sehr sich andere Väter um ihre Kinder bemühten. Diese Kinder wirkten mit ihren Vätern und die Väter mit ihren Kindern so unfassbar glücklich. Ich merkte, wie sich in mir immer mehr eine tiefe Traurigkeit breit machte. Doch dann sah ich meinen Sohn an und er gab mir mit seinem Lächeln so viel Kraft. Ich wusste, dass ich nicht alleine war und diese schwere Zeit unbedingt überstehen musste.

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